Das Huhn-Leben auf dem Bauernhof
Vorwort: Vielen Menschen ist in dieser Zeit, in der Lebensmittel jederzeit, in jeder gewünschten Menge und vor allen Dingen mit wenig Aufwand zu beschaffen sind, das Verständnis für die Leistung der Tiere abhanden gekommen, die diese Lebensmittel produzieren. Wir betrachten es als selbstverständlich, ein Ei zu erwerben und zu verzehren – kaum jemand macht sich Gedanken darüber, welche Leistung eine Henne vollbringt, die täglich ein solches Frühstücksei produziert.
Allerdings hat im Zeitalter der Massentierhaltung und der modernen Agrarfabriken auch kaum ein Verbraucher die Gelegenheit, Haustiere über einen längeren Zeitraum in ihrer natürlichen Umgebung zu beobachten und ihre arttypischen Verhaltensweisen zu studieren. Nur wenn man das Verhalten der Tiere kennt, kann man auch Ihre Bedürfnisse zu verstehen. Dass die Haltung von Legehennen – zusammengepfercht in engen Käfigen – nicht den Bedürfnisse der Tiere entspricht, ist wohl auch für den Laien noch einigermaßen nachvollziehbar. Was aber braucht ein Huhn genau, um sich wohl zu fühlen? Ist die Bodenhaltung eine vertretbare Alternative? Entspricht die Haltung in Kleingruppen einer artgerechten Tierhaltung? Fühlen sich Gänse ohne Wasser wohl? Braucht eine Schwein eine Suhle? Was mögen Enten? Wir stellen Ihnen in unserer Serie nach und nach die Tierrassen, die wir auf unserem Hof halten, in kurzen Portraits vor und schildern Ihnen den Tagesablauf der einzelnen Arten, wie wir sie im Zusammenleben mit den Tieren erleben.
Wir geben ihnen Einblicke in natürliche Verhaltensweisen und schildern die außergewöhnlichen Leistungen, die unsere Haustiere für uns Menschen vollbringen.
Unser Ziel: Achtung vor Lebensmitteln und Respekt für die Kreatur.
Wir setzen unsere Kundeninformation mit den Hühnern fort – genau genommen mit Legehennen. Das eher geringwertig eingeschätzte Nahrungsmittel „Huhn“ und seine Produkte birgt doch so einige Überraschungen….. Hühner sind äußerst umtriebige Wesen – bereits vor dem ersten Morgengrauen weckt der Hahn sie mit seinem ersten Schrei. Im Sommer beginnt der Tag einer Henne bereits gegen halb vier Uhr morgens. Übernachtet haben die Hennen dort, wo es ihnen am sichersten erscheint – vorzugsweise „hoch oben“ – denn nur dort fühlen sie sich instinktiv vor ihren Hauptfeinden Fuchs und Marder geschützt. Es folgt eine ausgiebige „Morgentoilette“, bei der das Gefieder sorgsam gerichtet und einige Tausend Federn mit dem Schnabel sorgfältig geordnet werden. Dann folgt das Frühstück – wobei zu sagen ist, dass ein Huhn die überwiegende Zeit des Tages mit der Suche nach Futter verbringt – so gehen Frühstück, Zwischenmahlzeit, Mittagessen und Abendessen quasi ineinander über… Es gibt immer etwas zu Scharren, zu Picken und zu Schlucken.
Die Sinne ….
Eine Henne von etwa 2 kg Körpergewicht benötigt etwa 120 – 160 Gramm Futter.
Dabei nimmt das Huhn nicht einfach alles auf, was ihm „vor den Schnabel kommt“ – im Gegenteil – das Futter wird sehr sorgfältig geprüft. Dabei setzt das Huhn alle Sinne ein – es besitzt wie fast alle Vögel ein scharfes Auge, das allerdings ganz auf das rasche Erkennen in der Nähe befindlicher Gegenstände ausgerichtet ist. Das Huhn ist als ursprünglicher Wald- und Gebüschbewohner auf scharfes Sehen in der unmittelbaren Umgebung angewiesen. Die seitlich am Kopf sitzenden Augen ermöglichen einen großen Blickwinkel – fast sogar eine Rundumsicht! Das geht allerdings zu Lasten des räumlichen Sehens, so dass sich direkt vor dem Hühnerschnabel eine Art „toter Winkel“ befindet. Das räumliche Sehvermögen ist auf den Bereich eingeschränkt, an dem sich die Gesichtsfelder der beiden Augen überschneiden. Die damit verbundene fehlende Tiefenwahrnehmung kann das Huhn durch abwechselndes Fixieren mit dem rechten und dem linken Auge ausgleichen, indem es den Kopf wendet oder sich dem Objekt seines Interesses im Zickzack-Gang nähert. Auch einen über ihm befindlichen Feind, z.B. in Gestalt eines Habichts, kann das Huhn nur durch Schrägstellen des Kopfes ausmachen.
Findet sich ein Bröckchen Futter direkt vor dem Tier, so wendet es den Kopf und fixiert das Objekt der Begierde zunächst mit dem einen und dann mit dem anderen Auge. Dann pickt es das Futter mit dem Schnabel auf. Das geht so schnell, dass nicht nur auf dem Boden verstreutes Futter präzise aufgenommen wird – selbst fliegende Insekten können so zielsicher gefangen werden. Allerdings muss das Huhn jede Leckerei neu fixieren und aufnehmen – man gewinnt bei der Betrachtung fast den Eindruck, dass das Huhn bei jedem Weizenkorn erneut „Anlauf nimmt“.
Der Geruchssinn spielt bei den Hühnern keine besondere Rolle – ihr Geschmackssinn ist dafür etwas besser ausgeprägt. Hühner unterscheiden immerhin die Geschmacksrichtungen salzig, süß, bitter und sauer. Am besten ausgeprägt ist der Tastsinn: Zahlreiche Tastkörperchen befinden sich in der Schnabelhöhle, auf der Zunge und im Rachenraum. Sie vermitteln dem Tier Wahrnehmung über Größe, Härte und die Oberflächenbeschaffenheit der Nahrung. Im Verlauf seines Lebens erlernt das Huhn (als Küken zunächst durch die Glucke und später durch eigene Erfahrungen) Genießbarem von Ungenießbarem zu unterscheiden. Mit dem Tastsinn wird auch die Größe des Futters überprüft – ideal ist alles, was ungefähr die Größe eines Weizenkorns hat, also etwa 2,5 – 3 mm groß ist. Sind Hühner sehr hungrig – zum Beispiel morgens – dann schlingen sie zunächst auch größere Brocken hinunter.
Sobald der Kropf gefüllt ist und sich ein Sättigungsgefühl einstellt, fressen Hühner selektiver. Zu ihrer Nahrung gehören neben allerlei Insekten und Körnern auch frisches Grün in Form von Gräsern, Knospen, Kräutern und jungen Blättern. Hühner verabscheuen dabei alle Arten von haarigen oder mit Nesseln besetzten Oberflächen – so schützen sich Brennnesseln, Gurken und Kürbis vor den gierigen Schnäbeln.
Zum Futter kommt beim Huhn die doppelte bis dreifache Menge Wasser. Die Hühner haben damit einen enorm hohen Wasserverbrauch – gemessen an ihrem Körpergewicht. Das Wasser wird schlückchenweise mit vielen Trinkpausen aufgenommen. Über den Kropf gelangt es in den Muskelmagen, wo es mit vielen kleinen, zuvor aufgepickten Steinchen zerkleinert wird. Das Ohr des Haushuhns entspricht in seiner Leistungsfähigkeit fast dem des Hundes. Für einen Gebüschbewohner ist das überlebenswichtig – Feinde werden dort wohl eher gehört als gesehen.
Bereits am 17. Bruttag kann dass Küken im Ei Laute wahrnehmen und wird auf die Stimme seiner Mutter geprägt. Nach dem Schlüpfen, wenn die Glucke ihre Küken führt, können die Kleinen die Glucklaute der Mutter bis zu einer Entfernung von 15 Metern hören, während die Glucke das „Verlassenheits-Piepsen“ ihrer Küken 20 Meter weit hört. Unsere erwachsenen Hühner reagieren immerhin bis zu einer Entfernung von 50 Metern auf unsere Lockrufe, die Futter verheißen.
Übrigens: Führende Glucken sind wahre „Furien“, wenn es darum geht, ihre Brut zu schützen – wenn sie ihre Küken bedroht sehen, dann greifen sie an. Mit gesträubtem Nacken und hoch aufgerichtet greifen sie mit wütender Entschlossenheit jeden an, der ihren Küken zu nahe kommt – notfalls auch einen erwachsenen Menschen…
Wir halten auf dem Hof eine Vielzahl von Katzen, die sich zusammen mit unseren Hühnern frei auf dem Hof und in der Scheune bewegen. Noch niemals ist es jedoch einer der Katzen gelungen, ein Küken zu erbeuten.
Es ist schon seltsam anzusehen, wenn sich unsere Henne „Berta“ mit ihren wenige Tage alten Küken schnurstracks zum Futtertopf der Katzen bewegt, um diesen auf Fressbares hin zu untersuchen. Selbst unser imposanter Hofkater „Paul“ tritt dann hastig einen geordneten Rückzug an.
Huhn und Hackordnung….
Hühner sind Herdentiere und eigentlich immer in Gruppen unterwegs. Damit nicht um jeden Brocken Futter ein Kampf geführt werden muss, regelt eine Sozialstruktur das Verhalten untereinander – die „Hackordnung“. Dazu ist es wichtig, dass sich die Tiere untereinander kennen: Mehr als 60 Artgenossinnen kann ein Huhn sicher unterscheiden. Ist die Rivalin überlegen, weicht die Henne aus, ist sie unterlegen, reicht meistens ein fixierender Blick oder ein kurzes Aufrichten, um sich Respekt zu verschaffen. Ist das Kräfteverhältnis unklar, dann kämpfen die Hennen einen kurzen, aber intensiven Kampf. Das Ergebnis hat normalerweise Langzeitwirkung.
Hühner warnen sich gegenseitig, wenn Gefahr droht.
Da es bei einer Flucht oft der Bruchteil einer Sekunde über Leben und Tod entscheidet, haben Hühner spezielle Warnrufe – je nachdem, ob der Räuber aus der Luft naht oder von der Seite, ob er geflügelt ist wie Habicht, Weihe oder Bussard oder sich auf 4 Füßen bewegt wie Fuchs oder Marder.
Bei Anbruch der Dämmerung ziehen sich die Hühner dann auf geschützte Schlafplätze zurück.
Ein Teil der Hühner auf unserem Hof schläft gerne auf Sitzstangen im Hühnerstall, andere suchen jeden Abend „ihr Schwein“ auf und übernachten dort über der Schlafbox der Bentheimer oder auch im Pferdestall. Im Sommer übernachten die Tiere auch schon einmal in den Bäumen. Dabei ist es erstaunlich, dass die Hühner nach Möglichkeit den immer gleichen Platz wählen und auch auf den Sitzstangen den Platz zwischen vertrauten Artgenossen wählen, mit denen sie sich gut verstehen.
Körperpflege…
Der Schnabel nimmt bei der Körperpflege eine zentrale Funktion ein – mit ihm pflegt das Huhn sein Gefieder, indem es jede einzelne Feder mit spitzem Schnabel erfasst und ordnet. Dabei wird geräuschvoll geknabbert und gekratzt. In den Ruhepausen zwischen Futtersuche und Eiablage nehmen Hühner gerne ein Sandbad. Dabei hocken sie sich in Sand oder losen Einstreu und bearbeiten den Boden ggf. mit Schnabel und Krallen, um feinen Staub zu erzeugen, der dann mit heftigen Scharrbewegungen hochgewirbelt wird. Dieser Sand oder Staub bleibt auf dem Rücken der Tiere liegen und rieselt langsam durch die geöffneten Flügel. Dabei legen sich die Tiere wohlig auf die Seite und strecken Beine und Flügel zur Seite aus wobei sie sich immer tiefer einwühlen. Schließlich wird das Sandbad durch kräftiges Körperschütteln mit geplustertem Gefieder beendet.
Neben dem Wohlbefinden dient das Sandbaden der Beseitigung von Hautschuppen und -parasiten, die mit dem losen Staub nach Beendigung des „Bades“ abgeschüttelt werden.
Jeden Tag ein Ei….
Nun ja – also fast jeden Tag. Dieses Ei, das wir morgens so selbstverständlich zum Frühstück köpfen ist ein unglaubliches Wunderwerk der Natur. Es ist so aufgebaut, dass in ihm aus einer winzigen, befruchteten Eizelle innerhalb von 21 Tagen ein vollständig entwickeltes, flauschiges Küken entwickelt, das als sogenannter „Nestflüchter“ bereits wenige Stunden nach dem Schlupf mit der Mutter umherzieht und unter ihrer Anleitung schon eifrig nach Nahrung sucht. (Der „Picktrieb“ ist den Kleinen übrigens angeboren – die gezielte Suche nach Nahrung lernen sie von der Glucke. Dabei nimmt die Mutter Nahrung mit dem Schnabel auf, hält sie den Küken hin und lässt sie wieder fallen. So lernen die Kleinen, was freßbar ist und was nicht. Unterstützt wird dieses Verhalten durch den Futterlockruf der Mutter.)
Die Vorfahren unsere Haushühner, die Bankivas, legten Eier übrigens nur zum Zweck der Reproduktion – der Sinn und Zweck der Eiablage bestand im Ausbrüten von Nachwuchs.
Bei der Entwicklung zum Haushuhn haben wir Menschen durch die genetische Auswahl den Bruttrieb des Huhns eingeschränkt und die Bereitschaft zum Eierlegen gesteigert.
Die Auswahl des Nestes ….
Bevor sich ein Huhn zum Eierlegen niederlässt, werden verschiedene Nester inspiziert, wobei auch brütende Hennen keine eigentlichen Nester bauen, sondern flache Nistmulden wählen, an denen höchstens noch etwas herumgezupft wird. Bereits benutzte Nester werden dabei bevorzugt gewählt – offensichtlich zieht die Hennen die Entscheidung ihrer Vorgängerinnen in ihr Kalkül mit ein.
Sind die Nester bereits mit Eiern bestückt, so werden sie bevorzugt ausgewählt. Sind die Nester groß genug, so lassen sich auch 2 oder mehrere Hennen dort gemeinsam nieder.
Ein Meisterwerk der Natur…
Wie bei fast allen Lebewesen sind Eierstock, Eileiter und Eihalter auch beim Huhn paarig angelegt. Die rechte Seite verkümmert allerdings im frühen Kükenalter und die linke Seite füllt dann einen großen Teil des Bauchraums einer Henne.
Geschlechtsreif wird ein Huhn mit etwa 5 Monaten – dann beginnt es mit dem Legen zunächst sehr kleiner Eier (die wir Kükeneier nennen). Mit zunehmendem Alter werden die Eier größer, bis sie ihre endgültige, rassespezifische Größe erreichen.
Nach Erreichen der Geschlechtsreife macht sich Tag für Tag ein Ei zum Sprung bereit. Der Organismus der Henne bestückt die anfangs mikroskopisch kleine Eizelle mit 20 Gramm hochkonzentriertem Nähr- und Aufbaustoff – dem Dotter.
Hierfür benötigt sie etwa 6 – 8 Tage. An jedem aktiven Eierstock finden sich immer gleichzeitig viele gelbe Dotterkugeln in unterschiedlicher Größe.
Die größte dieser Kugeln trennt sich vom Eierstock – den muss die Henne nunmehr legereif machen: Sie fängt ihn im oberen Trichterende des Eileiters auf und umgibt ihn mit dem „Eiklar“ – einer Mischung aus Proteinen, Salzen, Kohlenhydraten und Wasser.
Diese Prozedur dauert etwa 2 – 3 Stunden – dabei wird der Dotterball mehrfach um die Längsachse gedreht. An den Polen entwickeln sich dabei die spiralförmigen Hagelschnüre, die den Dotter später erschütterungsfrei im Zentrum des Eis halten.
Bei seiner Wanderung durch den Eileiter wird die Eigelb-Eiklarmasse durch 2 Eihäute (eine innere und eine etwas festere, äußere Eihaut) in Form gebracht. Die Bildung der Eihäute dauert in etwa eine Stunde. Danach verweilt das Ei noch etwa 18 – 19 Stunden im letzten Abschnitt des Eihalters, wo die feste Außenschale des Eis aufgebaut wird – übrigens ein biotechnisches Meisterwerk. Die etwa 5 Gramm leichte Hülle ist nur 2 mm dick – jedoch von maximaler Stabilität.
Mehr als 10.000 Poren erlauben einen Gasaustausch zwischen dem Ei-Inneren und der Außenwelt. Immerhin wird ja das Küken durch diese Schale mit Sauerstoff versorgt.
(Anm: Das ist übrigens der Grund, weshalb man Eier nicht neben intensiv riechenden Lebensmitteln, wie z.B. Porree aufbewahren sollte – sie nehmen durch den Austausch den Geschmack an!)
Die Farbe der Außenschale variiert nach Rasse des Huhn und sagt nichts über Geschmack oder Qualität aus. Es gibt weiße, braune, gesprenkelte oder auch hellgrüne Eier. Der gesamte Vorgang vom Ablösen des Dotters vom Eierstock bis zum fertigen Ei im Nest dauert etwas mehr als 24 Stunden. 20 – 90 Minuten, nachdem die Henne ihr Ei gelegt hat, macht sich der nächste Dotterball auf den Weg. So kann man im Regelfall etwa alle 25 – 26 mit einem Ei rechnen – der Legetermin verschiebt sich also täglich um 1 bis 2 Stunden gegenüber dem Vortag.
Da Hennen abends oder nachts keine Eier legen, unterbindet die Henne nach dem letztmöglichen Ablagetermin an einem Tag den Eisprung und setzt am übernächsten Tag mit einem frühen Legetermin die Eiablage fort. Das Ei ist eines der wertvollsten Nahrungsmittel. Allerdings ist es keine Kalorienbombe im Sinne eines energiereichen Nahrungsmittels sondern eine sehr ausgewogene Kombination von hochwertigen Naturstoffen, gepaart mit hoher Verdaulichkeit.
Zusammensetzung: Eiklar Eigelb
Wasser 87,9 % 48,7 %
Eiweiß 10,6 % 16,6 %
Fett — 32,6 %
Kohlenhydrate 0,9 % 1,0 %
Mineralstoffe 0,6 % 1,1 %